Sathya Sai Baba - Der überhöhte Lehrer, der zaubern kann


Aus: Von Sekten und Sektierereien

Sathya Sai Baba gehört zu den schillerndsten Figuren des indischen Gurismus.
Schon durch sein äußeres Erscheinungsbild, meist in ein knöchellanges orangefarbenes Gewand gekleidet, die Haare im auffälligen Afrolook, fasziniert er auch eine große Zahl westlicher Anhänger. Sai Baba, mit bürgerlichem Namen Ratnakaran Sathyanarayan Raju, wurde am 23.11.1926 in Puttaparthi/Indien geboren. Bereits um seine Geburt ranken sich zahlreiche Legenden: So heißt es u. a., dass eine giftige Kobra unter dem Bett des Säuglings gelegen habe, ohne dem Kind etwas zu tun, und Musikinstrumente, die im Haus hingen, hätten von selbst zu spielen angefangen.

Am 23.05.1940, so die Anhänger, habe Sathyanarayan seine Familie und Freunde zusammengerufen, Blumen und Süßigkeiten aus der Luft „materialisiert“ und sich als der Sai Baba offenbart, eine Wiederkunft des sagenumwobenen Sai Baba von Shirdi (Maharashtra). Dieser Selbstanspruch wurde von der eigenen Familie angezweifelt, so dass es am 20.10.1940 dazu kam, dass er sich von seiner Familie lossagte, nicht ohne zuvor noch, als Beleg für seine Behauptung, Jasminblüten in die Luft zu werfen, die wie von selbst den Namenszug Sai Baba beim Herunterfallen gebildet haben sollen.

Sai Baba von Shirdi, ein Grenzgänger zwischen Hinduismus und Islam, starb am 15.10.1918 in der Moschee, in der er gelebt hatte. 1963 kam es zu einer weiteren „Offenbarung“ Sai Babas. Er sei eine Verkörperung von àShiva und àShakti. Später erweiterte er seinen Selbstanspruch dahingehend, dass er behauptete, eine Verkörperung Jesu zu sein. 1976 rief Sai Baba schließlich die Sai-Religion aus, eine Zusammenfassung aller bisherigen Religionen. Eine ausformulierte Lehre kennt die Bewegung nicht. „Mein Leben ist meine Botschaft“, sagt der Guru selbst. Sai Baba nimmt verschiedene Elemente des Hinduismus wie auch des Christentums und anderer Religionen aus ihrem Kontext und bezieht sie auf sich. Sein Gottesbild ist das des Hinduismus:

Gott ist „Brahman“, die „All-Energie“, von der jeder Mensch einen Teil in sich trägt. Damit die Menschen die „Göttlichkeit“ in sich erkennen und realisieren könnten, sei Sai Baba gekommen. Er repräsentiert für seine Anhänger einen Avatar, eine göttliche Herabkunft, ausgestattet mit göttlicher Vollmacht. Zur Demonstration dieser Vollmacht dienen zahlreiche „Wunder“, die Sai Baba tut und die von Kritikern als geschickter Trickbetrug eingeschätzt werden. Im Mittelpunkt der Sai-Religion steht der Guru selbst: In ihm können sich alle Religionen vereinigen. Er, Sai Baba, sei die Verkörperung der absoluten Liebe und damit des einen Gottes, der in den verschiedenen Religionen unter jeweils unterschiedlichem Namen verehrt wird.

Deshalb muss auch niemand seinen bisherigen Glauben verlassen, um Anhänger Sai Babas zu werden. In ihm ist jede Religion vollkommen zu ihrer Vollendung gebracht, was sich auch in der auf das Bildnis des Gurus ausgerichteten Verehrung oder dem Erleben seiner Gegenwart in seinem Ashram, In Krishnas Mund sieht seine Mutter das ganze Universum, auch sich selbst und Krishna besonders zu den Festtagen, die von der Bewegung gefeiert werden, niederschlägt. Für westliche Anhänger ist dabei besonders die Weihnachtsfeier am 25.12. von Bedeutung, in der Sai Baba immer wieder mit Christus identifiziert und verehrt wird.

Sai Baba und seine Bewegung stehen in der Tradition des Hinduismus, der durch Aufnahme von Motiven aus verschiedenen Religionen synkretistisch ausgeweitet wird. Der Absolutheitsanspruch Sai Babas steht im Widerspruch zur vorgegebenen religiösen Toleranz und ist schlichte Vereinnahmung. Lehre und Praxis der Sai-Religion sind mit dem biblisch-christlichen Glauben nicht vereinbar. In der Ausrichtung auf die Person des Guru als Heilsweg, gipfelnd in der Selbstaussage, er sei "Schöpfer", liegt die Gefahr, eigene Verantwortlichkeit und Entscheidung auf den Guru zu übertragen und so von ihm abhängig zu werden. Mit Sai-Baba-Anhängern, die im Regelfall von ihren positiven persönlichen Erfahrungen erzählen, wird es deshalb erforderlich sein, ein Gespräch zu führen, das den eigenen religiösen Standpunkt erkennen läßt und die eigenen Erfahrungen im christlichen Glauben dem Gurukult entgegensetzt.

http://www.sathyasai.org (Selbstdarstellung)

Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, a. a. O. S. 771-787

(Kritik)